Otto und Gustav Lilienthal
Glaubt man den Überlieferungen, so war eine Tierfabel Auslöser des Traums vom Fliegen der Brüder Lilienthal. Der Storch, der einem Zaunkönig erklärt, wie mühelos er mit seinen ausgebreiteten Schwingen fliegen kann, animiert die Kinder zu Selbstversuchen. Sie bauen sich Flügel aus Buchenspanbrettern, um es den Vögeln gleichzutun. Ihr Scheitern stachelt ihren Ehrgeiz nur an und mit den Jahren werden ihre Studien und Entwürfe für „Flugmaschinen“ immer ausgefeilter. Neugier und Enthusiasmus verbindet das Brüderpaar, das von den Eltern den Hang zum Träumen, künstlerisches Talent und das Interesse an Technik geerbt hat.
Otto Lilienthal ist vier Jahre alt als seine Familie sein Geburtshaus aufgeben und in ein kleineres Haus in der Peenestraße Nr. 35 umziehen muss. Hier verbringen Otto und Gustav den Rest ihrer Kindheit. Auf dem Hof stand ein Fahrradtaxi, auf dem Dachboden hing ein Flügelschlagmechanismus und aus dem ersten Stock des Hauses wagen Otto und Gustav Lilienthal einen Flugversuch. Diese Abenteuer und Experimente ermöglicht ihnen ihre Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemannes stets darum bemüht ist, dem Forscherdrang ihrer Kinder freien Lauf zu lassen: „Wie oft schon wurden bedeutende Künstlertalente im Keime erstickt“, schreibt Caroline Lilienthal, „wie oft der Götterfunke großartigen Forschens, herrlicher Erfindungen und Revolutionen durch dies sinnlose Widerstreben im Entglimmen gelöscht.“ Caroline Lilienthal lebt bis zu ihrem Tod in diesem Haus. Es ist bis heute erhalten.
In der Schule folgen Otto und Gustav Lilienthal ihren Neigungen, erzielen in den Augen ihrer Lehrer jedoch keine guten Leistungen. Lediglich im Kunstunterricht und in der Mathematik fällt Otto positiv auf. Gilt anfangs Otto als der „Künstler“ in der Familie Lilienthal, kehrt sich das Verhältnis mit der Zeit um. Gustav entfaltet seine künstlerischen Fähigkeiten, während Otto seiner Leidenschaft für die Technik nachgeht. Otto studiert Maschinenbau an der Gewerbeakademie in Berlin, Gustav folgt ihm nach und schreibt sich an der Bauakademie ein.